Die Kraft des Mantras

Worin liegt die Kraft eines Mantras begründet? Den Veden zufolge, ist Klang der Ursprung der Schöpfung dieses Universums. Der vedischen Schöpfungsgeschichte liegt eine Physik der Elemente zugrunde, die dem Element Klang eine fundamentale Rolle zuspricht. Ihr zufolge geht die gesamte Schöpfung aus einem einheitlichen Materie-Bewusstseins-Feld hervor, das unter dem Einfluss der Zeit/Kali zu schwingen beginnt. Diese rhythmische Schwingung ist eine direkte Folge der Wechselwirkung zwischen Raum, Zeit und Bewusstsein. Sie äußert sich im äußeren Raum als Schwingung und im inneren Raum, als die Inhalte unseres Geistes und unserer Wahrnehmung wieder

Sowohl die materielle Wirklichkeit als auch unser inneres Bild, unserer Wahrnehmung dieser Wirklichkeit sind von ihrem Wesen her eine Schwingung des ursprünglichen Materie-Bewusstseins-Feldes. Die innere Welt unsers Geistes und die äußere materielle Wirklichkeit sind daher vom Wesen her eins und bestehen aus Schwingung.

Mithilfe eines Mantras kann man mit dieser inneren oder äußeren Schwingung in Resonanz treten und auf diese Weise einen tief greifenden Einfluss sowohl auf die Materie als auch auf das Bewusstsein ausüben. Doch kann nicht irgendein Klang oder eine beliebige ersonnene Klangfolge als Mantra bezeichnet werden, sondern nur der Klang, der mit der ursprünglichen Schöpfungsschwingung in Resonanz steht. Dieser kosmische Ur-klang wird im Sanskrit als Shabda-Brahman, als göttlicher Klang bezeichnet.

Man sollte ein Mantra von einem autorisierten Guru empfangen, der das Wissen des Mantra Yoga hat. Sich selbst etwas zu erfinden, wäre nicht nur nutzlos sondern auch Zeitverschwendung.

 

Die Veden beschreiben, dass im inneren des Herzens ein feinstofflicher Resonanzraum existiert, in dem dieser Schöpfungsklang anklingt, wenn das Herz oder der Geist von allen Arten materieller Klangschwingung frei ist. Dieser Klang manifestiert sich wie von selbst aus der Tiefe des Raumes im Bewusstsein eines Menschen, der sich von allen Anhaftungen an materielle Eindrücke und Gegenstände befreit hat. Ihn zu hören ist das Ziel der Meditation der Yogis, die sich äußerlich und innerlich in die Stille begeben, um dem Schöpfungsklang zu lauschen und sich auf diese Weise mit Gott zu verbinden.

 

Den Veden zufolge manifestiert sich der gleiche Ur-klang in Form einer einzigen Silbe, die in ihrer Einfachheit die Kraft der gesamten Schöpfung in sich trägt. Diese Silbe wird als Pranava Omkara, als die Lebenskraft des Universums bezeichnet und besteht aus den drei Buchstaben a, u und m. Zusammengenommen bilden sie die Silbe aum, die vielfach auch einfach als om geschrieben wird. Das a repräsentiert Gott, der Buchstabe u steht für die materielle Energie und das m stellt das individuelle Lebewesen, die Seele dar. Wird dieser Klang in reinem Bewusstsein aus der Tiefe des Herzens, des inneren Klangraumes vibriert, so manifestiert sich im Geist des rezitierenden das Geheimnis der Schöpfung. Er nimmt Gott direkt war. Die Veden gehen so weit, den Klang des Urlautes aum als mit Gott eins anzusehen.

Der kosmische Urklang, die Silbe - OM - AUM  

 

Dieser Klang om enthält die gesamte Reihe der menschlichen Intonation, indem er hinten im Mund mit dem ersten Element "A" anfängt, durch das Summen des mittleren Elementes "U" hindurchgeht und mit geschlossenen Lippen im Schlussklang "M" endet. Der erste Teil "A" stellt den Anfang dar; das "U" den Fortschritt und "M" die Auflösung. Daher repräsentiert OM jene Kraft, die für die Schöpfung, die Entwicklung und die Auflösung diese Universums verantwortlich ist, nämlich Gott selbst.

 

"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und durch das Wort ist alles geworden, und nichts was geworden, war ohne das Wort. In Ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen, und das Licht Leuchtet in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen."

 

Praktisch bedeutet dies, dass die Rezitation des aum-Klanges in unserem Bewusstsein den kosmischen Schöpfungsklang durch Resonanz zum Klingen bringen kann. Ebenso wie die Resonanzschwingungen einer Violinenseite durch eine mit der gleichen Frequenz schwingenden Saite angeregt wird, so können wir die göttliche Kraft im Herzen erkennen und erwecken, indem wir den aum-Klang in tiefer Meditation rezitieren. Daher gilt das aum als der ursprüngliche vedische Mantra, aus dem heraus sich alle anderen Mantras entfalten. Er stellt den ganzen Frequenz-Klangraum dar, von dem jeder andere Mantra eine einzelne Frequenz bildet. So beginnen auch eine überwiegende Vielzahl aller vedischen Mantras mit der Silbe aum.

 

Klang und Bedeutung sind im Sanskrit viel enger miteinander verbunden als in anderen Sprachen, so dass jedes Wort - auch ohne es zu verstehen - eine unmittelbare Wirkung auf das Bewusstsein des Zuhörers hat. Diese Einheit von Bedeutung und Klang heißt auf Sanskrit shabda.